Deutschlands engagiertester Investor

490 Startups, 886 Millionen, 89 Exit - der High-Tech Gründerfonds ist der aktivste Investor in Europa. Wir haben mit Geschäftsführer Dr. Michael Brandkamp gesprochen.

Seit 2005 finanziert der High-Tech Gründerfonds (HTGF) Technologie-Startups und hat sich zum aktivsten Seedinvestor in Deutschland entwickelt. Mit einem Volumen von insgesamt 886 Millionen Euro verteilt auf drei Fonds sowie einem internationalen Partner-Netzwerk hat der HTGF bereits knapp 500 Startups zu Unternehmen geformt. Wir haben uns mit Dr. Michael Brandkamp, Geschäftsführer des HTGF, zum Interview getroffen, um über den HTGF und vor allem den neuen Fonds HTGF III zu sprechen, der einige Veränderungen mit sich bringt.
Herr Dr. Brandkamp, seit 2005 unterstützen Sie mit dem HTGF Startups und kennen die deutsche Startup-Szene wahrscheinlich wie kein anderer. Wie hat sich diese Szene seither entwickelt?

Seit 2005 hat sich die Startup-Szene sehr stark verändert und momentan existiert eine unglaubliche Dynamik und ein schnelles Wachstum. Heute wird die Szene als sehr freundlich und hip wahrgenommen und viele gute Absolventen und Talente gründen Startups oder schließen sich diesen an. Das war vor 13 Jahren eher eine Seltenheit. Auch das Niveau, auf dem uns heute Startups begegnen, ist höher. Wir treffen auf tolle Technologien und besser durchdachte Geschäftsmodelle. Ein weiterer großer Unterschied liegt im Beteiligungsumfeld. Im Moment gibt es viele gute Möglichkeiten, um zusammen mit Privatinvestoren und internationalen Venture Capitalists (VCs) in Startups zu investieren.

Wie schneidet Deutschland Ihrer Meinung nach im internationalen Vergleich ab?

Im internationalen Vergleich haben wir in Deutschland eine starke Startup-Szene. Der Abstand zu Hubs wie dem Silicon Valley in den USA oder Tel Aviv in Israel ist jedoch weiterhin sehr groß. Dennoch ist die deutsche VC-Szene noch nicht stark genug. Unser Ziel sollte es sein, das momentan gute Umfeld zu nutzen, um mehr Fonds zu gründen, die in Deutschland beheimatet sind. In der Seed- und Series A-Finanzierung sind wir in Deutschland aktuell gut aufgestellt und Privatinvestoren sowie Unternehmen prägen diese Runden. Danach wird es schwierig und wir sind auf internationale VCs und Syndikate angewiesen. Zudem steigt das Risiko, dass mit einem veränderten Finanzmarkt mit wieder steigenden Zinssätzen Privatinvestoren auf andere Anlagemöglichkeiten ausweichen, die vielleicht nicht lukrativer, aber sicherer sind.

Worauf achtet der HTGF bei der Auswahl der Startups besonders?

Bei der Auswahl der Startups ist es uns wichtig, dass die Gründungsidee einen deutlichen Vorsprung besitzt. Meist ergibt sich dieser Vorteil aus einer technologischen Innovation. Im Idealfall reagieren die Startups mit ihren Angeboten nicht nur auf Trends, sondern versuchen, die nächsten Trends mitzuprägen oder zu schaffen. Neben diesem Aspekt ist das Team enorm wichtig. Es sollte die richtige Mischung aus technologischer, kaufmännischer und unternehmerischer Erfahrung besitzen. Zum Schluss analysieren wir den Markt und Wettbewerb und untersuchen, wie stark die Kaufbereitschaft ausgeprägt ist. Das Startup sollte bereits einen Plan haben, wann es mit der Idee Geld verdienen und wie es wachsen will. Wenn dieser Mix stimmt, ist das Startup interessant für uns.

Dr. Michael Brandkamp, Geschäftsführer der High-Tech Gründerfonds Management GmbH

Bisher hat sich der HTGF an knapp 500 Startups beteiligt. Wie erfolgreich sind Sie bzw. die Startups bisher gewesen?

Bisher haben wir sehr erfolgreiche Unternehmen an den Markt gebracht und viele weitere aus unserem Portfolio befinden sich in steilen Wachstumsphasen. Insgesamt können wir momentan 89 Exits verbuchen, denen 120 gescheiterte Beteiligungen gegenüberstehen. Unseren erfolgreichsten Exit konnten wir mit einem Multipel auf das eingesetzte Kapital von 11 abschließen. Ein anderes Unternehmen aus dem Bereich Life Science hat einen Verkaufspreis von 465 Millionen Dollar erreicht. Das ist ein großer Erfolg für uns und wir sind davon überzeugt, dass noch viele Weitere folgen werden. Der HTGF versteht sich als langfristiger Partner. Daher kann es auch vorkommen, dass wir unsere Beteiligungen an Unternehmen über zehn Jahren halten. Deshalb rechnen wir in den nächsten Jahren mit vielen weiteren sehr erfolgreichen Exits.

Unter Investoren und auch bei Startups ist der HTGF vor allem für seine standardisierten Konditionen bekannt: bis zu 600.000 Euro für 15 Prozent. Warum haben Sie sich für dieses Modell entschieden?

Mit diesem Modell wollen wir Startups eine Brücke hin zum Beteiligungsgeschäft bauen. Der Vorteil liegt vor allem darin, dass wir bei diesen Standardkonditionen nicht über eine Unternehmensbewertung diskutieren müssen. Zumal die Unternehmensbewertungen früher sehr viel niedriger waren, als es heute der Fall ist. Zudem sind wir mit 15 Prozent in dieser frühen Phase für Unternehmen sehr attraktiv, sodass auch der Weg für weitere gute Finanzierungsrunden offen bleibt. Ein weiterer Vorteil ist, dass wir gut erprobte Verträge verhandeln können, die einen schnellen und effizienten Beteiligungsprozess ermöglichen.

Seit Ende letzten Jahres bieten Sie mit dem neuen Fonds HTGF III Startups andere Finanzierungskonditionen an. Welche Formen der Beteiligung gibt es und worin liegt der Unterschied zum bisherigen Modell?

Unser bisheriges Standardmodell bieten wir nach wie vor an. Aber das Marktumfeld hat sich geändert. Da nun der neue Fonds HTGF III zu 30 Prozent aus privaten Quellen eingesammelt hat, können wir die Konditionen ganz individuell auf die Bedürfnisse des Startups zuschneidern und damit flexibler reagieren. Zudem gibt es viele gute Partner am Markt, mit denen man gemeinsam investieren kann, und auch der Kapitalbedarf der Startups fällt oft höher aus. Mit dem neuen Fonds können wir daher marktkonformer agieren und die Bedingungen so ausgestalten, dass sie perfekt zu den Startups passen. Insbesondere sind die maximal möglichen Investmentsummen, die wir in ein einzelnes Startup stecken können, angehoben worden. Diese liegt nun bei drei Millionen Euro, davon bis zu eine Million Euro in der ersten Finanzierungsrunde. Das hilft uns, auch kapitalintensivere junge Firmen zu unterstützen. Ferner starten manche Unternehmen erst später eine Finanzierung für ihre Innovationen. Um diese zu erreichen können wir Startups finanzieren, die bis zu drei Jahre alt sind. Bisher waren es 12 Monate. Auch der Eigenanteil von 10 Prozent, den Startups bisher aufbringen mussten, ist nicht mehr obligatorisch, aber durchaus gewünscht.

Wie treten Startups am besten an Sie heran und welchen Prozess haben Sie?

Am besten ist die persönliche Ansprache. Unser Team ist auf vielen Veranstaltungen unterwegs und freut sich immer, neue interessante Startups kennenzulernen. Auch der persönliche Kontakt über einen Partner wie den Investforum Startup-Service oder unsere Scouts ist ein guter Weg. Eine Rundmail, die an unsere Info-Mailadresse geschickt wird, hat wenig Aussicht auf Erfolg. Sobald wir ein Pitch-Deck in Händen halten, bilden wir uns eine erste Meinung und laden, bei einem positiven Eindruck, das Team zu  einem Pitch und ein persönliches Kennenlernen ein. Hier stellen wir viele Fragen und schauen auch, ob der persönliche Draht zueinander stimmt. Wenn uns das Startup überzeugen konnte, folgt ein Letter of Intend oder Termsheet und wir prüfen die Angaben zu Technologie und Vorhaben genau. Hierbei ziehen wir Experten mit ein und klären alle Fragen, bis wir ein umfangreiches Bild gewonnen haben. Wenn alles passt, entscheidet ein Investitionskomitee über die Beteiligung. Den zeitlichen Rahmen versuchen wir dabei straff zu halten, sodass vom Erstkontakt bis hin zur Unterzeichnung im Idealfall drei Monate liegen.

Neben Kapital verfügt der HTGF über ein großes Netzwerk an Unternehmenspartnern. Welchen Mehrwert können Startups daraus ziehen?

Wir bauen systematisch und intensiv Netzwerke zu Investoren, Experten, interessierten Managern und auch große und mittelständische Unternehmen auf. Aktuell haben 30 Industriepartner in den neuen Fonds investiert. Darüber hinaus bieten wir Startups ein umfangreiches Netzwerk an KMU. Immer mehr Unternehmen kooperieren mit Startups und sind in der Regel erste Kunden oder sogar Finanzierungspartner. Sie haben erkannt, dass das weltweite Innovationsgeschehen exponentiell zunimmt. Aber ihre eigene Innovationsgeschwindigkeit ist begrenzt. Wir sind davon überzeugt, dass bei Kooperationen zwischen beiden Seiten Vorteile entstehen: Startups auf der einen Seite sind agil und können auf Marktveränderungen schnell reagieren bzw. Geschäftsfelder völlig neu denken. Die Mittelständler und Große auf der anderen Seite verfügen über Ressourcen und Know-how darin, Prozesse zu skalieren und auf ein internationales Niveau zu heben. Natürlich muss man als Startup professionell auftreten, wenn man mit einem starken Industriepartner kooperieren will.

Warum ist Ihnen die Nähe zu regionalen Akteuren der Gründerszene so wichtig und welche Rollen spielen die sogenannten HTGF-Scouts?

Seedgeschäft ist vor allem ein regionales Geschäft. Wir sind zwar viel unterwegs, brauchen aber viele Partner vor Ort. Diese sind es, die es schaffen, aus Ideen vorzeigbare Geschäftskonzepte zu entwickeln. Die Scouts sind außerordentlich wichtig für uns, da sie in der Region verankert sind und den Startups den Weg zum HTGF weisen können. Zudem bieten sie Unterstützung beim Entwicklungsprozess und helfen den Startups, dabei ein professionelles Pitch-Deck oder einen Businessplan zu erstellen.

Welche Pläne haben Sie mit dem HTGF für die Zukunft?

Zunächst einmal wollen wir den aktuellen Fonds HTGF III zum Erfolg führen und exzellente Unternehmen finanzieren, damit diese groß werden. Langfristig wird unser Fokus nach wie vor auf der Seedphase liegen. Wie sich in Zukunft neue Fonds gestalten werden bleibt offen, aber der Trend ist, dass immer mehr Unternehmen sich an Fonds beteiligen und sich die öffentliche Hand langsam zurückzieht. Gern wollen wir uns weiter aktiv daran beteiligen, dass die VC-Szene in Deutschland wächst und die Rahmenbedingungen für Beteiligungen in Deutschland nachhaltig gestaltet werden.

Wir wünschen Ihnen und den Startups weiterhin viel Erfolg und bedanken uns für das Interview.

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