neomento – VR-Lösungen für die Psychotherapie

Schwindelerregende Höhen, krabbelnde Spinnen oder Menschenmengen: Das Team von neomento aus Magdeburg setzt auf Virtual Reality gegen Angststörungen. Die Ergebnisse sind überzeugend. Hier erfahrt ihr, wie Virtual Reality in der Psychotherapie helfen kann.

Das Gefühl von Angst kennt fast jeder. Wer auf einer Aussichtsplattform ein kribbeliges Gefühl hat, wer sich vor Spinnen ekelt oder Angst hat, eine Rede zu halten. Jeder Mensch hat Ängste und Sorgen. Manchmal sind sie jedoch unbegründet und nehmen überhand. Bei einer Angststörung lässt einen die Angst nicht los. Sie wird zum Grundgefühl des Lebens. Der Körper ist dauernd angespannt, der Bauch schmerzt, die Muskeln verhärten und die Menschen schlafen nachts schlecht. Die aktuellste Zahl zur Verbreitung von Angststörungen unter Erwachsenen stammt aus dem Jahr 2015. In diesem Jahr waren 15 Prozent der deutschen Bevölkerung wegen krankhafter Angst beim Arzt. Also fast jeder sechste Erwachsene. Keine andere psychische Störung wird häufiger diagnostiziert – Tendenz seit Jahren steigend.

Sich der Angst stellen

In der psychotherapeutischen Verhaltenstherapie wird oft mit sogenannten Expositionen gearbeitet. Die Exposition „in vivo“, also die direkte Konfrontation mit den angstauslösenden Ursachen in der realen Welt, ist die gängigste und wirksamste Therapiemethode bei Angststörungen.  Der Patient begibt sich dabei gemeinsam mit seinem Therapeuten in die angstauslösende Situation und soll dabei so lange in der Situation bleiben, bis die Panik nachlässt. Dadurch sollen die Patienten merken, dass die befürchtete Katastrophe gar nicht eintritt. Die Konfrontationstherapie ist jedoch oft mit einem hohen finanziellen und logistischen Aufwand verbunden, daher steht diese Möglichkeit de facto nur wenigen Menschen mit Angststörungen offen.

Mit Virtual Reality gegen Angststörungen

Durch Virtual Reality eröffnen sich ganz neue Möglichkeiten bei der Therapie gegen Angststörungen. Am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Magdeburg entstand hieraus das Ausgründungsprojekt “neomento”. Das Team, darunter Philipp Stepnicka und Jens Klaubert, hat eine Software entwickelt, die die traditionelle Konfrontationstherapie virtuell abbildet.

2019 – neomento Gründung

Das Team von neomento wurde zu Beginn durch den europäischen Forschungsrat (European Research Council – ERC) gefördert. Diese Förderung ermöglichte es, das Team aufzubauen und die Produktentwicklung zu starten. Mit Hilfe des Programms EXIST-Forschungstransfer, einer Gründungsförderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi), soll noch dieses Jahr die Gründung stattfinden. Sobald die Software als Medizinprodukt zertifiziert ist, kann das Produkt europaweit vertrieben werden. Doch hier hört es nicht auf:

„Mittelfristig ist unser Ziel die Software auch auf andere Erkrankungen auszuweiten. Das Schöne ist, dass unser Produkt universell einsetzbar ist. Es lassen sich beispielsweise die sprachlichen Elemente ganz einfach ändern und verschiedene Situationen kreieren. Wir schaffen ein Werkzeug, um Therapien effektiver zu gestalten und das ist extrem wertvoll für die Patienten”, sagen Jens und Philipp.

So funktioniert die Therapie mit Virtual Reality

Die Software wird von einem Therapeuten im Rahmen einer verhaltenstherapeutischen Sitzung eingesetzt. Über ein VR Headset wird der Patient in eine angstauslösende Situation versetzt. Beispielsweise müssen Menschen mit Flugangst in ein virtuelles Flugzeug steigen. Der Therapeut begleitet die Simulation und kann Turbulenzen im Flugzeug auslösen. Bei der virtuellen Therapie sozialer Phobie werden soziale Situationen mit virtuellen Charakteren kreiert, wobei der Patient beispielsweise eine Rede vor einem virtuellen Publikum halten soll. Die Reaktion des Publikums kann dabei von aufmerksamem Zuhören bis zu gelangweiltem Weggucken oder Tuscheln variiert werden. Der Therapeut kann die virtuellen Charaktere steuern und beispielsweise Zwischenfragen oder Dialoge führen lassen.

Jens Klaubert, neomento
Jens Klaubert, neomento

„Wir haben verschiedene Szenarien entwickelt, die der Patient virtuell erleben kann. Zum Beispiel gibt es ein Szenario, wo der Patient ein Vortrag vor einem Publikum halten muss. Bei dem Publikum handelt es sich um virtuelle Charaktere, die von uns individuell designt und animiert worden sind. Dafür haben wir eigens einen Algorithmus entwickelt, der das Verhalten des Publikums sehr realistisch wirken lässt”, erklärt Jens Klaubert.

Zusätzlich werden durch die Software biophysiologische Daten gemessen. Der Therapeut kann so auf einem Bildschirm die Herzfrequenz, das Blickverhalten und die Schweißdrüsenaktivität des Patienten in Echtzeit beobachten, interpretieren und die virtuelle Umgebung je nach Notwendigkeit anpassen. Nach der Sitzung können die gemessenen Daten in der Nachbesprechung mit dem Patienten ausgewertet werden. Damit liefert die neomento Software dem Therapeuten wertvolle objektive Parameter für die Einschätzung seines Patienten und stellt ihm hiermit weitere nützliche Werkzeuge für eine erfolgreiche Verhaltenstherapie zur Verfügung.

„Wir wollen den Therapeuten mit unserer Software nicht ersetzen. Die Software ist ein ergänzendes Mittel, um die Therapie effizienter und effektiver zu gestalten”, sagt der Psychologe Philipp Stepnicka.

Die virtuelle Therapie arbeitet nach den gleichen therapeutischen Prinzipien wie die traditionelle Konfrontationstherapie. Der Patient wird wiederkehrend mit seinen Ängsten konfrontiert, um sie zu überwinden. Allerdings hat die VR-Therapie entscheidende Vorteile: Sie ist kostengünstiger, leichter umsetzbar und vollständig kontrollierbar.

Studien beweisen, dass VR Therapien erfolgreich sind

In zahlreichen Studien verschiedener Wissenschaftler wurde die Wirksamkeit der VR-Therapie für die Behandlung von diversen Angststörungen umfangreich überprüft. Insgesamt zeigte sich, dass die virtuelle Konfrontation auch langfristig zu genauso guten Effekten wie die traditionelle Konfrontationstherapie führt.

Philipp Stepnicka, neomento
Philipp Stepnicka, neomento

„Wenn man einen Patienten mit einer Angststörung behandelt, der Probleme hat bestimmte Situationen zu bewältigen, impliziert es auch, dass er Probleme hat diese Situation realistisch einzuschätzen. Und das spielt uns nochmal in die Karten. Dem Patienten fällt es ganz schwer zu relativieren. Deshalb funktioniert die virtuelle Therapie auch so gut. Der Patient hat genau die gleichen Reaktionen in der virtuellen Therapie wie im realen Leben”, erklärt Philipp.

Für die Entwicklung der Software hat das neomento Team eng mit Therapeuten und Kliniken zusammengearbeitet. Zu den Kooperationspartnern gehören unter anderem das Universitätsklinikum Magdeburg und die Schön Klinik. Die ersten klinischen Studien sind bereits gestartet. Das Team testet derzeit erste Versionen der neomento Software. Dank Virtual Reality könnte die Expositionstherapie bald unkomplizierter und erschwinglicher sein und flächendeckend angeboten werden. Diese Erfolgsgeschichte zeigt bereits heute den zunehmenden Einfluss von VR-Technologie auf viele Bereiche unseres Lebens und das Potenzial dieser Technologie einige dieser Bereiche fundamental zu verändern.

Zur neomento Website.

Dieser Artikel wurde von Thi Thu Linh Pham, Univations GmbH – Investforum Startup-Service geschrieben.

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